Warum meiden Männer Psychotherapie?

Eine britische Studie der York St John University, durchgeführt von Gary Shepherds Team, untersuchte die Gründe, warum Männer seltener psychotherapeutische Hilfe in Anspruch nehmen als Frauen. Die Studie identifizierte drei Hauptfaktoren: Erstens erleben viele Männer das Suchen und Annehmen von Hilfe als Bedrohung für ihre Identität, die traditionell von Stärke und Unabhängigkeit geprägt sein soll. Dies führt zu Gefühlen von Angst und Scham, insbesondere bei bestimmten Gruppen wie Soldaten, Kriegsveteranen, Gefängnisinsassen und sozialisierten Jugendlichen.

Zweitens wird psychotherapeutische Behandlung oft als "feminin" betrachtet, aufgrund der geringen Anzahl männlicher Therapeuten und der Ausrichtung auf emotionale Öffnung und gemeinsame Problembesprechung. Als dritten Faktor stellte die Studie fest, dass Verhaltensnormen für Männer oft dysfunktionale Stressbewältigungsstrategien fördern, wie das "Aus-sitzen" von Problemen und das Maskieren von emotionalen Notlagen durch Alkohol, Drogen oder exzessives Verhalten.

Besorgniserregend ist dabei, dass die Suizidrate unter Männern in Europa viermal höher ist als unter Frauen, was auf die geringere Bereitschaft der Männer zur professionellen Unterstützung hinweisen könnte. Die Autoren der Studie schlagen vor, diese Denkmuster bei therapeutischen Ansätzen zu berücksichtigen und insbesondere traditionell eingestellten Männern alternative Sichtweisen auf ihre Männlichkeit anzubieten. Eine mögliche Unterstützung könnte auch in der Vernetzung von Männern untereinander liegen, sei es online oder in Selbsthilfegruppen, um offene Diskussionen über diese Themen zu fördern. Der Weg zu einer gleichberechtigten Nutzung therapeutischer Angebote durch Männer und Frauen ist jedoch noch weit.

Meine Herangehensweise, mein Fachwissen und meine Empfehlungen zu diesem Thema

Es gibt verschiedene Ansätze, um die Hürden für Männer in Bezug auf die Psychotherapie zu überwinden:

  • Männliche Therapeuten fördern: Die Erhöhung der Anzahl männlicher Therapeuten könnte dazu beitragen, dass sich Männer besser verstanden und akzeptiert fühlen.
  • Frühkindliche Erziehung: Die Förderung emotionaler Intelligenz und die Enttabuisierung von Emotionen in der frühkindlichen Erziehung könnten langfristig dazu beitragen, dass Männer offener über ihre Gefühle sprechen und weniger Hemmungen haben, Hilfe zu suchen.
  • Stärkung alternativer Männlichkeitsbilder: Es wäre hilfreich, traditionelle Vorstellungen von Männlichkeit zu überdenken und alternative Sichtweisen zu fördern, die das Suchen nach Hilfe nicht als Schwäche, sondern als Stärke betrachten.
  • Gezielte Aufklärung: Durch gezielte Aufklärungskampagnen kann das Bewusstsein für psychische Gesundheit und die Wirksamkeit von Therapie bei Männern geschärft werden, um Vorurteile und falsche Vorstellungen abzubauen.
  • Integration von traditionellen Stressbewältigungsstrategien: Therapeuten können Ansätze entwickeln, die die traditionellen, von Männern bevorzugten Stressbewältigungsstrategien integrieren, um eine Brücke zwischen der gewohnten Bewältigung und therapeutischer Unterstützung zu schlagen.
  • Früherkennung und Prävention: Eine verstärkte Betonung von Prävention und früher Erkennung psychischer Gesundheitsprobleme könnte dazu beitragen, Männer eher dazu zu bewegen, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, bevor sich die Probleme verschärfen.
  • Arbeitgeberbeteiligung: Unternehmen könnten Programme zur Förderung der psychischen Gesundheit am Arbeitsplatz einführen, um die Akzeptanz von psychotherapeutischer Unterstützung zu erhöhen. Dies könnte beispielsweise flexiblere Arbeitszeiten, Stressbewältigungsseminare oder den Zugang zu Beratungsdiensten umfassen.
  • Öffentliche Sensibilisierung: Medien und Organisationen können eine Rolle dabei spielen, das Bewusstsein für die psychische Gesundheit von Männern zu schärfen und stereotype Darstellungen in Frage zu stellen. Positive Geschichten und Erfahrungen von Männern, die therapeutische Hilfe in Anspruch genommen haben, können dazu beitragen, Vorurteile abzubauen.
  • Kulturelle Sensibilität: Therapeuten sollten eine kulturell sensible Herangehensweise entwickeln, um die Vielfalt männlicher Erfahrungen und Werte zu berücksichtigen. Dies ist besonders wichtig, um Männer unterschiedlicher ethnischer, religiöser und sozialer Hintergründe anzusprechen.
  • Zugänglichkeit von Therapie: Die Verbesserung der Zugänglichkeit von psychotherapeutischen Diensten, sei es finanziell oder geografisch, könnte eine erhebliche Rolle dabei spielen, Männer dazu zu ermutigen, Hilfe in Anspruch zu nehmen.
  • Förderung von Peer-Support: Die Schaffung von peer-basierten Unterstützungsnetzwerken kann Männer ermutigen, sich gegenseitig zu unterstützen und Erfahrungen auszutauschen. Der Austausch unter Gleichgesinnten kann das Gefühl der Isolation verringern.
  • Integration von Technologie: Die Nutzung von Online-Plattformen und digitalen Ressourcen könnte die Hemmschwelle für Männer verringern, therapeutische Unterstützung zu suchen. Virtuelle Therapiesitzungen und Selbsthilfetools könnten eine flexible und diskrete Option darstellen.
  • Forschung und Entwicklung: Fortlaufende Forschung über geschlechtsspezifische Unterschiede in der psychischen Gesundheit könnte dazu beitragen, maßgeschneiderte Therapieansätze zu entwickeln, die besser auf die Bedürfnisse von Männern zugeschnitten sind.
  • Kollaboration mit Community-Organisationen: Die Zusammenarbeit mit gemeinnützigen Organisationen und Community-Gruppen kann dazu beitragen, die Bedürfnisse der Männer besser zu verstehen und maßgeschneiderte Programme zu entwickeln, die auf spezifische Bevölkerungsgruppen abzielen.
  • Angebote für junge Männer: Frühzeitige Intervention und gezielte Programme für Jugendliche und junge Männer könnten dazu beitragen, gesunde Bewältigungsmechanismen zu fördern und das Bewusstsein für psychische Gesundheit zu schärfen.
  • Stärkung von Familienunterstützung: Die Einbeziehung von Familienmitgliedern in den Therapieprozess kann dazu beitragen, das soziale Umfeld zu stärken und Männer zu ermutigen, Unterstützung anzunehmen.
  • Entwicklung von maßgeschneiderten Ansätzen: Therapeuten könnten individualisierte Therapieansätze entwickeln, die besser auf die persönlichen Überzeugungen, Interessen und Lebensstile der Männer abgestimmt sind.

Diese vielfältigen Ansätze sollten in einem integrativen Rahmen betrachtet werden, um eine umfassende und nachhaltige Veränderung in der Wahrnehmung und Inanspruchnahme psychotherapeutischer Hilfe durch Männer zu bewirken. Es ist wichtig, dass diese Bemühungen von verschiedenen Akteuren in der Gesellschaft, von Gesundheitsdienstleistern bis hin zu Gemeinschaftsorganisationen, gemeinsam getragen werden.

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